Hans-Josef Becker

Bereits bei der Gründung 1893 durch Jean-Baptist Becker wurde der Grundstein für die Qualität der heutigen Erzeugnisse gelegt.

Sein Enkel, der 1945 geborene Hans Josef Becker, führte nach der Lehre im Weingut Graf Eltz in Eltville (1962/1963) und Studium in Geisenheim mit Abschluss als Ing.grad.Weinbau (1966–1969) bis 1973 das nur 13 Hektar große Weingut in Walluf mit seinem Vater Josef Becker zusammen. Nach dem Tod des Vaters Josef zusammen mit seiner Schwester Maria. Bescheidene 60–70 Tausend Flaschen werden jährlich abgefüllt. Johann Josef ist darüber hinaus auch noch Wein-Kommissionär und sitzt in fast jeder relevanten Verkostungsgruppe des Rheingau. Auch in der Ortspolitik ist er mit seiner naturverbundenen Sicht überaus engagiert. 

Die zwei extrem liebenswerten Geschwister sind positiv fast etwas eigenbrötlerisch, wie auch manche Burgunderwinzer, sie sind pittoresque vom eigenen Erscheinen bis zum barocken Weingutshaus. Dabei stehen sie weit mehr als die meisten von uns mit beiden Beinen im Leben und auf der Erde, sie sind hochgradig beliebt und vernetzt, sie setzen nur andere Wertmaßstäbe als wir es in dieser »schnellen« Zeit gewohnt sind. Wer Muße hat, möge doch bitte in Walluf stoppen, dieses Geschwisterpaar ist ein warmherziges Erlebnis der besonderen Art, und doch sind sie dabei reflektiert und ironisch »wissend« um sich und um die Welt. Jeder wird mit einem warmen Gefühl im Bauch und voller Frieden von dannen ziehen. Johann Josef Becker sieht seine Weinberge als zeitlich befristete »Leihgabe der Natur«. 

Ein extrem naturverbundener Bio-Winzer, der dieses Etikett jedoch über­haupt nicht will, dümmliche ›Natur­ideologie‹ hält er für einen Rückfall ins Mittelalter.

Seit dem Jahrgang 2011 ist die Weintraubenerzeugung biologisch zertifiziert. Er liess nach dem Ende einer ca. 60–70 Jahre währenden Ertragszeit und der dann fälligen Neubestockung den Böden in einer sechsjährigen Brache Zeit zur Regeneration (verhungern der Rebläuse). Ein extrem naturverbundener Bio-Winzer, der dieses Etikett jedoch überhaupt nicht will, dümmliche »Naturideologie« hält er für einen Rückfall ins Mittelalter. »Der Wein weiß sich schon zu helfen« ist Johann Josef Beckers Leitspruch und verdeutlicht sein unbedingtes Vertrauen in die Natur. Wenn Ungeziefer oder das Wetter den Ertrag verringert, und Nützlinge und organische Bodenarbeit nicht obsiegen, nimmt er die Einbuße eben in Kauf. Er erntet wegen seines rigiden Rebschnitts von Haus aus nur um gut 40 Hektoliter pro Hektar. 

Vom Saulus zum Paulus: War Johann Josef vor Jahrzehnten noch der Meinung, er könne im Keller aus jedem beliebigen Lesegut einen superguten Wein machen, so weiß er heute: Alles an Qualität entsteht nur und ausschließlich im Weinberg. Und da im vollen Einklang mit der Natur. Im Keller kann man nicht mehr als vorsichtig und natürlich erhalten und bewahren, die Kreation macht die Natur allein. Die Rieslinge werden nach 12 Stunden Maischestandzeit schonend gepresst und im Holzfass mit den eigenen Hefen vergoren, es gilt der Grundsatz: so wenig Eingriff wie möglich. Wenn überhaupt dann in dem Maische- und Moststadium, (der fertige Wein wird nie verändert oder bearbeitet). Bei Beckers kann es dann schon mal auch sechs Monate oder mehr weiterblubbern bis die Vergärung beendet ist. 


Geschönt oder auf irgendeine Weise behandelt werden seine Rieslinge oder Blauburgunder wie zuvor gesagt maximal bis zum Moststand. Die extrem langlebigen Rieslinge verbleiben bis zu neun Monate auf der Hefe im Fass und werden kurz vor der nächsten Ernte abgefüllt (immer ein Jahr bis zur Abfüllung). Die in kleiner Stückzahl noch vorhandenen alten Jahrgänge trinken sich immer noch taufrisch, ein leichter und angenehmer Reifeton ohne Petrol und ohne Botrytis liegt über der tollen Frucht. Der Beginn der 90er schmeckt jetzt gerade reif, die End-90er sind fast noch zu unreif in ihrem jugendlichen Druck, die 2010er müssen sicher noch 10 Jahre warten bis zur sicher absehbaren Größe und die 2011er explodieren einfach im Mund! 

Die wohl besten Pinot Noirs Deutschlands kommen von J. B. Becker, sie bleiben nach der Vergärung im Holzfass zwei volle Jahre im großen alten Holzfass (keine Barriques), erste geringe Schwefelgabe nach Abschluss des biologischen Säureabbaues (nach einem Jahr) Einstellung des Schwefels auf niedrigem Wert kurz vor der Abfüllung. Die unglaubliche Farbausbeute und die feinst geschliffenen immensen Tannin- und Extraktmassen der Pinot Noirs resultieren nicht nur aus dem biologisch-organisch gearbeiteten Weinberg und der rigieden Ertragsbeschränkung, auch die Maischegärung im Hochdrucktank ist dafür verantwortlich. Bei über vier bar CO2-Druckablass in explosiver Form um das Zellaufbrechen der Schalen zu erreichen, bekannt von der Taucherkrankheit. 

Im Keller kann man nicht mehr als vorsichtig und natürlich erhalten und bewahren, die Kreation macht die Natur allein.

Nach der Gärung Lagerung auf der Maische im Drucktank bis zu drei Wochen. Abpressen mit niedrigem Druck und Ausbau über zwei bis drei Jahre im großen Holzfass bis zur Füllung. Meines Erachtens gibt es keinen anderen deutschen Pinot Noir dieser Intensität. In zarten Jahren wie 2005 ein Volnay 1er Cru, in fetten Jahren wie 2003, 2007 und 2009 ist das ein fetter Bonnes-Mares-Stil. Zusammen mit den so extrem alterungsfähigen und großen Rieslingen ist J. B. Becker für mich der vielleicht eigenwilligste und zugleich komplexeste Erzeuger Deutschlands. Solch einen Typen wie Johann Josef Becker gibts in Deutschlands Winzerszene wohl kein zweites Mal. Und weil ihm und seiner Schwester Maria der Ruhm, der Ruf und der Wohlstand ziemlich schnuppe sind, werden sie zum Glück für uns ein Insidertipp bleiben, müssten doch ob dieser so außergewöhnlichen Qualität wahre Heerscharen von Genießern Schlange stehen!



*Quelle: Lobenbergs Gute Weine: https://www.gute-weine.de/deutschland/rheingau/j-b-becker/